Augsburger IT-Unternehmen erhebt Klage wegen Piraterie seiner Open Source Software
Justiz beschäftigt sich erneut mit Lizenzverletzung für Open Source Software. Das Augsburger IT-Unternehmen embedded projects hat Klage gegen eine Bielefelder Firma und deren Geschäftsführer eingereicht, mit dem Vorwurf der Urheberverletzung.
Der Vorwurf richtet sich auf zahlreiche Verstöße des Bielefelder Unternehmens gegen die Lizenz der Augsburger für deren quelloffene ERP/CRM Software „WaWision“ – unter anderem wegen unterdrückter Urhebervermerke und vorenthaltener Quellcodes. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen Az. 71 C 3983/16 beim Amtsgericht Augsburg geführt. Der Verhandlungstermin ist für den 22. Juni angesetzt.
Der Geschäftsführer des Bielefelder Unternehmens wurde seitens embedded projects bereits seit Anfang 2016 detailliert über die Vorwürfe informiert. Er wurde aufgefordert, die Urheberrechtsverletzung einzustellen, jedoch ohne Erfolg.
„Wir haben alle Mittel ausgeschöpft, um zu einer außergerichtlichen Einigung mit den Beklagten zu gelangen“, so Benedikt Sauter, Geschäftsführer der embedded projects GmbH. „Nach über einem halben Jahr gutmütiger und erfolgloser Gespräche mit der Gegenseite haben wir uns im Herbst vergangenen Jahres entschlossen, andere Saiten aufzuziehen. Deutsche Gerichte haben sich seit etwa zehn Jahren mit Lizenzen für Open Source Software beschäftigt und die Rechte der Urheber und Lizenzgeber gestärkt“, so Sauter weiter. „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Augsburger Justiz den Gerichten in München, Hamburg, Köln und Berlin anschließt und der industriellen Software-Piraterie einen Riegel vorschiebt. Auch industrielle Verwender unserer Open Source Software ‚WaWision ERP‘ müssen sich an die Affero General Public License Version 3 halten. Diese Lizenz haben die Beklagten in großem Umfang missachtet, wodurch unserem Unternehmen materieller und immaterieller Schaden entstanden sein dürfte. Open Source Software ist kein rechtsfreier Raum, sondern urheberrechtlich geschützt.“
AGPL: Auch Lizenznehmer in der Pflicht
WaWision ERP ist ein Warenwirtschaftssystem von embedded projects, und Verkaufsschlager des Augsburger Unternehmens bei über 200 Kunden. Diese Software ist in verschiedenen Versionen frei oder kommerziell erhältlich. embedded projects bietet die freie Version als sogenannte Open Source Software inkl. Quellcode kostenlos unter der Affero General Public License Version 3 an – oder kurz „AGPL“.
„Mit der Lizenzierung von WaWision unter der AGPL verfolgen wir ein Ziel. Wir richten uns mit dieser Open-Source-Version von WaWision an Einsteiger und Startups mit kleinem Budget. Wir wollen dabei allen Interessenten eine transparente Light-Version zum kostenlosen Testen unserer Performance zur Verfügung stellen, bis sie das Budget für unsere professionellen Versionen von WaWision haben. Die Open-Source-Nutzer dürfen WaWision auch erweitern und weitervertreiben – nur eben unter den Bedingungen der AGPL“, erläutert Sauter. „Das bedeutet, dass der Lizenznehmer auch seinen Interessenten dieselben Chancen und Möglichkeiten einräumen muss, wie sie der Lizenznehmer von embedded projects erhalten hat. Immerhin hat der Lizenznehmer unseren wertvollen Quellcode gratis bekommen – dann kann er das, was er daraus macht, auch gratis an seine Interessenten weitergeben, ohne dass unser Ruf darunter leidet.“
Die AGPL-Lizenz verlangt vom Lizenznehmer unter anderem, dass er gegenüber seinen Kunden auf die Urheberrechte von embedded projects hinweist und dass er seine Erweiterungen von WaWision inkl. Quellcodes ebenfalls unter der AGPL seinen Kunden und Interessenten anbietet. Diese Angebotspflicht ist in Fachkreisen auch bekannt als sogenannter „Copyleft“ – dem ideellen Gegenstück zum „Copyright“.
Zahlreiche Lizenzverletzungen gegen WaWision
„Die Beklagten hat das nicht interessiert“, stellt Sauter ernüchtert fest. „Sie haben eine Software verkauft, die größtenteils unseren Programmcode enthält. Jedoch war es den Beklagten offenbar zu unangenehm, auf unser Urheberrecht an ihrem Produkt hinzuweisen. Stattdessen haben sie unsere Urhebervermerke entfernt und durch eigene Urhebervermerke ersetzt – fast als würde man die Fahrgestellnummer aus einem Auto herausfeilen.“
Die AGPL ist eine moderne Lizenz. Sie löst den bereits erwähnten Copyleft nicht nur bei klassischen Formen des Software-Vertriebs aus, sondern auch bei modernen Formen, bei denen nicht der Softwarecode an den Kunden übertragen wird, sondern lediglich die Funktion der Software – vergleichbar mit dem Streaming von Filmen. Bei Software ist dieses Streaming bekannt als „Application Service Providing“ bzw. „ASP“.
Dazu Sauter: „Die Beklagten haben ihre Erweiterungen von WaWision nicht unter der AGPL lizenziert, sondern unter einer anderen Lizenz. Des Weiteren haben sie nicht den Quellcode ihres Produkts zum Download angeboten, obwohl es fast unser gesamtes WaWision enthielt und im ASP-Betrieb zur Verfügung gestellt wurde. Eigentlich hätten die Beklagten neben dem Login-Menü für die Software-Funktion ihres Produkts auch einen Download-Link für dessen Quellcodes hinterlegen müssen. So ist es heute üblich und so sieht es die AGPL in §13 vor – schließlich stammt das Login-Menü auch von uns. Erst dann hätten auch die Interessenten der Beklagten die Möglichkeit, sich von der Software-Funktion mit Hilfe ihres Quellcodes zu überzeugen. Der Quellcode ist dabei so etwas wie eine Blaupause für die Software und ihre Funktionen.“
Steigende Ausbreitung von Open Source macht Lizenzeinhaltung unerlässlich
Dabei haben gerade Open Source Software und deren Lizenzen an Bedeutung für die Industrie zugenommen. Open Source Software ist mittlerweile auf vielen Micro-Prozessoren installiert und Bestandteil des privaten und industriellen Alltags. So baut die Software bzw. Firmware in modernen Fernsehern, DSL-Routern oder industriellen Fertigungsanlagen vielfach auf Open Source Software auf, weil diese Software ausgereift und kostenlos erhältlich ist. Auch aus diesem Grund gibt sich Sauter zuversichtlich:
„Wenn ich mir schon die vielen rechtlichen Hinweise auf Lizenzen für Open Source Software in meinem Handy ansehe, ist mir klar, wie wichtig die Einhaltung dieser Lizenzen für die Industrie ist. Jeder will schnell sein Produkt legal auf den Markt bringen und mit fremder Open Source Software Zeit und Geld sparen. Alles fein – und wir helfen dabei gerne mit unserer Software mit. Nur müssen alle Verwender dabei die Lizenzen für Open Source Software auch beachten. Es darf deshalb keinen Unterschied machen, wie ein Lizenznehmer unsere Software heute zu Geld macht – sei es, dass Softwarecode auf einer CD oder mittels ASP verbreitet und zugänglich gemacht, wenn die Lizenz so eindeutig ist wie hier.“
Weitere Informationen:
embedded projects GmbH
Benedikt Sauter, Geschäftsführer
Holzbachstr. 4
D-86152 Augsburg
Tel.: +49 (0) 821 27 95 99 - 0
Fax: +49 (0) 821 27 95 99 - 20
E-Mail: benedikt.saute[at]wawision.de
Internet: www.wawision.de
embedded projects GmbH
Seit ihrer Gründung 2008 hat sich die embedded projects GmbH in Augsburg mit einem Team aus Informatikern und Ingenieuren auf die Entwicklung der Unternehmenssoftware WaWision ERP inklusive dazu passender Hardware wie Adapter oder USB Sticks für sichere Authentifizierung etc. spezialisiert. WaWision ERP – ursprünglich eine Eigenentwicklung – ist eine umfassende ERP-Lösung für junge Firmen, Start-ups oder Unternehmensabteilungen, die bislang keine eigene ERP-Software im Einsatz hatten. Sämtliche Module – von CRM und Bestellwesen über Online-Shop- und Kassenanbindung bis zu Produktion, Versand und Finanzen – sind nahtlos miteinander integriert und greifen auf eine zentrale Datenbank zu. Die Software ist zu 100 Prozent Web-basierend und unterstützt dezentrale und mobile Einsatzszenarien. Erweiterungen wie spezielle Oberflächen oder Schnittstellen sind im unternehmenseigenen App-Store erhältlich. Kooperationspartner bei der Erarbeitung neuer Produkte und Module sind Webagenturen, IT-Dienstleister und Anbieter von Online-Shop-Software wie Shopware und Gambio. Weitere Informationen sind unter www.wawision.de erhältlich.