Die Kapitalstruktur aktiv und vorausschauend gestalten
Immer wieder hört man die Aussage: „Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine gesunde Kapitalstruktur unabdingbar.“ Doch was ist unter einer „gesunden Kapitalstruktur“ zu verstehen und wie erreiche ich diese? Im gleichen Atemzug stellen sich die Fragen, ob und wie man die Kapitalstruktur eines Unternehmens aktiv gestalten kann. Norbert Meinl gibt einige wichtige Hinweise zum Thema Kapitalstruktur und zur Wahl des Kapitalgebers:
Welche Faktoren sind maßgebend für die Bestimmung der Finanzierungs- bzw. Kapitalstruktur eines Unternehmens?
Die Finanzierungs- oder Kapitalstruktur des Unternehmens ist sozusagen das Abbild der Passivseite seiner Bilanz. Hier wird ersichtlich, welcher Arten der Finanzierung sich das Unternehmen bedient. Eigenkapital oder Fremdkapital oder auch sog. mezzanine Finanzierungsarten? Woher kommt das Kapital und mit welcher Fristigkeit steht es zur Verfügung? Das sind die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale dabei.
Wie kann man die „passende Struktur“ für das Unternehmen bestimmen?
Um für das jeweilige Unternehmen „die passende Struktur“ zu bestimmen heißt es, zunächst einmal die verschiedenen Einflussfaktoren zu betrachten. So kommt es beispielsweise darauf an, welches Geschäft das Unternehmen betreibt, in welcher Branche es tätig ist und welche Erfordernisse typischerweise daraus resultieren. Auch die Unternehmensphase, in der man sich gerade befindet kann Restriktionen in Punkto Kapitalangebot mit sich bringen – oder aber auch spezielle Chancen hinsichtlich der möglichen Auswahl. Weitere typische Fragen sind: Was darf das Kapital kosten? Welchen Einblick oder gar Einfluss Außenstehender ist man bereit zu akzeptieren? Welche Rentabilität soll das eingesetzte Eigenkapital erwirtschaften und welcher Cash-Flow lässt sich zur Reduzierung der Außenfinanzierung erwirtschaften? Nicht zuletzt sind steuerliche Aspekte zu beachten.
Worauf sollte man bei der aktiven, also gezielten Gestaltung der Finanzierungsstruktur achten?
Sinn und Zweck einer aktiven Einflussnahme auf die Finanzierungsstruktur ist es natürlich, dass für das Unternehmen jederzeit ausreichend Liquidität und Flexibilität vorhanden ist, um den laufenden Betrieb, aber eben auch explizite Maßnahmen finanzieren zu können und die bevorstehende Phase des Unternehmens wie geplant gestalten und ungefährdet überstehen zu können. Ganz wichtig ist es hierfür, dass das Unternehmen finanzierungsfähig bleibt. Das heißt, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem zusätzliches Kapital von außen benötigt wird, aufgrund der vorhandenen Bonität bei in Frage kommenden Finanziers auch die Möglichkeit und Bereitschaft vorhanden ist, Mittel bereitzustellen. Spätestens hier stößt man auf die Problematik des „Ratings“, mit dem das Unternehmen von Banken und Auskunfteien eingestuft wird. Neben verschiedenen anderen Faktoren spielen die Kennzahlen, die sich aus der G & V und der Bilanz ermitteln lassen eine entscheidende Rolle.
In der Konsequenz bedeutet dies doch im Vorfeld Szenarien zu simulieren?
Ja, das heißt, dass bei der Entwicklung der Finanzierungsstruktur bereits darauf Rücksicht zu nehmen ist, wie sich die bevorzugte Konstellation auf die relevanten Kennzahlen – und damit auf das Kreditrating auswirken wird. Denn damit beeinflusst man nicht nur die Frage, welches Kapital zur Verfügung steht, sondern übt auch Einfluss auf die Höhe der Kosten sprich der Zinsen dafür aus. Man muss nicht versuchen, das komplette Ratingverfahren schon im Vorfeld zu simulieren. Aber mit der Bildung einiger wichtiger Kennzahlen lässt sich schnell die Tendenz der jeweiligen Konstellation erkennen.
Mancher wartet ja auch gern ab oder sitzt brenzlige Situationen aus – für Sie akzeptabel?
Nein, keinesfalls. Denn überlässt man die Entwicklung der Finanzierungsstruktur einfach dem Geschehen, dann gibt man eben auch die Möglichkeit aus der Hand, die genannten Effekte daraus in gewollter Weise zu beeinflussen. Das mag gutgehen, man läuft aber Gefahr, dass man im entscheidenden Moment – denken wir an das Eintreten von Krisen oder auch der Gelegenheit, besondere Geschäftschancen zu nutzen – keinen Zugang zu den benötigten Finanzierungsalternativen mehr bekommt. Insofern macht es schon Sinn, die Gestaltung der Finanzierungsstruktur als strategische Hausaufgabe für den Unternehmer oder die Geschäftsleitung zu verstehen und diese frühzeitig aktiv anzugehen.
Worauf sollten insbesondere Gründer ganz besonders achten?
Bei Gründern steht natürlich meist sehr stark die Frage im Vordergrund, woher kann ich überhaupt Kapital bekommen, um mein Start-up auf den Weg bringen zu können. Schließlich ist das Kapital in dieser Phase einem besonders hohen Risiko ausgesetzt und dadurch kommen auch nur ganz bestimmte Möglichkeiten der Finanzierung in Betracht. Da rutschen viele andere Aspekte zwangsläufig erstmal in den Hintergrund. „Hinbekommen“ lautet da die Devise – gestalten kommt später. Gleichwohl muss sich schon auch der Gründer genau überlegen, was für ihn sinnvoll und noch akzeptabel ist. Da steht beispielsweise der Einsatz der kompletten Ersparnisse als Eigenkapital bzw. die Haftung mit dem kompletten Privatvermögen zur Disposition. Das heißt, da muss auch die Familie mitspielen. Entscheidungen, die zu diesem Zeitpunkt getroffen werden ziehen in der Regel relativ langfristige Bindungen und Auswirkungen nach sich. Daher ist es schon sehr wichtig, sich dem Thema Finanzierung sehr intensiv zu widmen.
… und noch ein Wort zur Wahl des „richtigen“ Kapitalgebers?
Als Risikokapitalgeber für diese frühe Phase wird gerne, wenn sich andere Finanzierungsquellen als problematisch erweisen über die Beteiligung strategischer Investoren nachgedacht. Hier passiert es nicht selten, dass der findige Gründer der Ideengeber bleibt – der Investor mit seiner finanziellen Macht sich die Sache einfach schnappt. Die Überlegungen zu den Alternativen aller Art, da zählen auch die Palette der Förderangebote oder das Crowd Investing dazu, sollten nicht von Verlockungen oder dem Weg des scheinbar geringsten Widerstands bestimmt sein. Vielmehr müssen diese sehr sorgfältig angestellt werden um bewusste und abgewogene Entscheidungen treffen zu können. Das Hinzuziehen des Rates außenstehender Vertrauenspersonen, die sich in diesem Metier auskennen kann hierbei eine sehr wertvolle Hilfestellung sein.
Vielen Dank, Herr Meinl.
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