Experten-Interview - Die Patentierung von Software und Interfaces
Patente dienen dazu, Innovationen zu schützen. Bei Erfindungen in „klassischen“ technischen Bereichen wie dem Maschinenbau ist es allgemein bekannt, dass eine Patentierung möglich ist. Wie verhält es sich aber bei Software, Apps und Benutzeroberflächen? Herr Rummler, Sie sind Patentanwalt und beschäftigen sich intensiv mit diesem Thema. Unsere Fragen an Sie:
Wie verhält es sich konkret mit dem Schutz von Software, Apps oder Benutzeroberflächen? Kann man Software patentieren lassen?
Um ein Patent anzumelden, gilt allgemein: Die Erfindung muss neu sein, d.h. sich vom „Stand der Technik“ in mindestens einem Merkmal unterscheiden. Außerdem muss die Erfindung auf einer „erfinderischen Tätigkeit“ beruhen, d.h. der Unterschied zum Stand der Technik darf nicht trivial sein. Dies gilt für Erfindungen in allen Technologien. Softwareerfindungen müssen nach der aktuellen Rechtsprechung folgende zusätzlichen Voraussetzungen erfüllen: die Software muss ein technisches Problem lösen, und dies muss mit technischen Mitteln erfolgen.
Können Sie das bitte an einem konkreten Fall erläutern.
Gern. Stellen Sie sich ein Programm vor, das es ermöglicht, auf einem einfachen Rechner etwas darzustellen, was eigentlich nur auf wesentlich leistungsfähigeren Rechnern darstellbar ist. Dabei könnte es sich um eine komplexe Grafik handeln, die womöglich den Einsatz eines eigenen Grafikprozessors benötigt. Das Programm schafft es nun aber, dass die Daten durch den einfachen Computer so verarbeitet werden, dass die Grafik mit der vorhandenen Hardware – d.h. ohne besagten Grafikprozessor – darstellbar gemacht wird. In diesem Fall wird ein technisches Problem gelöst, nämlich das Problem, eine komplexe Grafik mittels eines eigentlich nicht geeigneten Rechners darzustellen. Außerdem wird dieses Problem mit technischen Mitteln gelöst, nämlich den technischen Mittel des vorhandenen Rechners.
Haben Sie noch weitere Beispiele für technische Probleme parat?
Beispiele sind die Steigerung der Leistungsfähigkeit eines Computers, die Verringerung des Speicherbedarfs von Daten, die Erhöhung der Datensicherheit. Ebenso die bessere Bedienbarkeit des Computers. Hier wird es aber schon unschärfer. Ich halte es für vertretbar, dass auch die Gestaltung einer Benutzeroberfläche ein technisches Problem lösen kann. Allerdings muss man hier unterscheiden zwischen technisch und ästhetisch motivierten Merkmalen. In diesem Bereich ist zudem die Rechtsprechung vom BGH und dem Europäischen Patentamt uneinheitlich.
… und für die Lösung eines Problems mit technischen Mitteln?
Nach Auffassung des BGH wird ein Problem grundsätzlich dann mit technischen Mitteln gelöst, wenn Gerätekomponenten verändert oder neuartig verwendet werden, oder wenn das Programm durch technische Gegebenheiten innerhalb oder außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird. In dem oben genannten Beispiel könnten alle drei Voraussetzungen erfüllt: womöglich werden die technischen Mittel des vorhandenen Computers auf neue Art und Weise eingesetzt. Darüber hinaus ist das Programm durch technische Gegebenheiten innerhalb und außerhalb des Computers bestimmt, nämlich die technischen Eigenschaften der darzustellenden komplexen Grafik „außerhalb“ des Computers, sowie die technischen Gegebenheiten „innerhalb“ des vorhandenen Computers.
Wie lange dauert eine Patentanmeldung und wie hoch sind die Kosten?
Von der Patentanmeldung bis zur Patenterteilung können 2 bis 5 Jahre vergehen. Der Anmelder hat auf die Dauer des Verfahrens aber Einfluss. Die Kosten hängen von der Komplexität der Erfindung und dem Verlauf des Prüfungsverfahrens ab. Die Ausarbeitung und Anmeldung eines deutschen Patentes kostet in der Regel mehrere tausend Euro. Wenn auch Schutz in anderen Ländern gewünscht wird, so erhöhen sich die Kosten entsprechend.
Wenn meine Software oder App die für eine Patentierung erforderlichen Kriterien nicht erfüllt oder eine Patentanmeldung aus Kostengründen ausscheidet, welche Möglichkeiten habe ich, meine Entwicklung zu schützen?
Ein gewisser Schutz für Software entsteht automatisch durch das Urheberrecht, welcher vor Nachahmung des Programmcodes schützt. Bei Apps oder Benutzeroberflächen kann auch Design- oder Markenschutz in Frage kommen, insbesondere für grafische Gestaltungselemente. Wichtig ist in jedem Fall, die Schutzmöglichkeiten vorab zu prüfen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person:
Felix Rummler, Patentanwalt und Partner von Maucher Börjes Jenkins Patent- und Rechtsanwälte, studierte vor seiner Ausbildung zum Patentanwalt Elektro- und Informationstechnik an der TU München. Er hat umfangreiche Erfahrung in der Ausarbeitung von Patentanmeldungen auf den Gebieten der Elektro- und Informationstechnik. Insbesondere zum Thema Patentierbarkeit von Software hat Felix Rummler bereits mehrfach publiziert. Zu seinen Mandanten zählen neben internationalen Konzernen und mittelständischen Unternehmen auch Start-ups aus dem Umfeld von Universitäten und Forschungsinstituten, die er beim strategischen Aufbau eines IP-Portfolios begleitet, auch mit Hinblick auf mögliche Investoren.