Mittwoch, 06. April 2011 | News | Blog, Gründernews

ExpertenGespräch: Existenzgründung aus der Hochschule

An den Hochschulen in Augsburg gibt es viele Menschen, die Potential haben, sich selbständig zu machen oder eine Firma zu gründen. Um dieses Potential für die regionale wirtschaftliche Entwicklung noch besser nutzen zu können, unterstützt die Hochschule Augsburg Gründungsinteressierte bei ihrem Vorhaben. Prof. Dr. Norbert Gerth, Professor für Marketing und E-Commerce sowie Existenzgründungsbeauftragter der Hochschule Augsburg schildert das Gründungsgeschehen an seiner Hochschule.

Prof. Dr. Norbert Gerth

Prof. Dr. Norbert Gerth

Besonderes Potenzial für den Erfolg  technologieorientierter Start-Ups sieht er in Förderprogrammen wie EXIST und in der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Einrichtungen wie dem aiti-Park.

 

Herr Prof. Gerth, wie ist das Thema „Gründung“ an der Hochschule Augsburg verankert?

Seit 2001 wurden an der Hochschule Augsburg (HSA) eine Reihe von Aktivitäten zur direkten Unterstützung gründungswilliger Hochschulmitglieder initiiert und umgesetzt. Sie alle erfreuen sich mittlerweile eines großen Interesses und Zuspruchs. Zuvorderst zu nennen sind hier eine regelmäßige monatliche Gründersprechstunde für gründungsinteressierte Studierende und Mitarbeiter, die Entwicklung und Implementierung eines Online-Gründerportals mit Basisinformationen rund um das Thema ‚Existenzgründung‘ und ein Angebot spezieller Ausbildungsbausteine mit gründungsspezifischen Themen (u.A. Businessplanerstellung, Gründungsfinanzierung und Formalien).

Außerdem wurde 2002 die Funktion eines Existenzgründungsbeauftragten der Hochschule geschaffen, der nach Außen und Innen als zentrale Anlaufstelle für Anfragen und Anliegen fungiert und in enger Kooperation mit dem hochschuleigenen Institut für Technologietransfer und Weiterbildung ITW in dieser Sache agiert.
Darüber hinaus ist die HSA seit Jahren bestens in das regionale bzw. überregionale Gründernetzwerk eingebunden, sie ist Mitglied im ‚Existenzgründerpakt Bayern‘ des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie und sie kooperiert mit dem bayernweiten Hochschulgründernetzwerk ‚Hochsprung‘.

 

Wo wird das Thema Gründung an der Hochschule Augsburg sichtbar?

Die bisherige Entwicklung der akademischen Grün¬dungsförderung an der HSA kann vor allem an der Zahl offiziell durchgeführter Existenzgründungsberatungen sowie der Zahl der Teilnehmer an den einschlägigen Ausbildungsmodulen festgemacht werden.

So wurden seit 2003 etwa 150 Gründungsinteressierte aus den verschiedensten Fakultäten im Rahmen einer Erstberatung bzgl. ihres Gründungsvorhabens betreut, was laut Aussage der IHK Schwaben, die das Angebot aktiv unterstützt, ein Spitzenwert unter den bayerisch-schwäbischen Hochschulen darstellt.
Zusätzlich haben seit 2002 weit über 650 Studierende aus unterschiedlichen Fakultäten an den Seminaren und Planspielen mit gründungsbezogenen Inhalten erfolgreich teilgenommen. Im Durchschnitt liegt das Interesse an Gründerseminaren mit etwa 30 Teilnehmern pro Semester ebenfalls auf beachtlichem Niveau.
Außerdem gelang es seit 2003 sechs offizielle Ausgründungsförderungen (2x Flügge, 4x EXIST-Gründerstipendium; bei insgesamt etwa acht Anträgen) zugesprochen zu bekommen, von denen etwa 13 Studierende mit ihrem Gründungsvorhaben profitierten.
Und nicht zuletzt trägt die Hochschule Augsburg  zur guten Auslastung des aiti-Parks bei, da zahlreiche Gründer aus der Hochschule das Dienstleistungsangebot des Technologie- und Gründerzentrums für ihren Start in die Selbständigkeit nutzen.

 

Welche besonderen Herausforderungen müssen Gründerinnen und Gründer aus der Hochschule meistern?

Eine besondere Herausforderung liegt zuallererst sicherlich darin, v.a. unseren Studierenden die ‚Selbständigkeit‘ als eine ernsthafte Karriereoption schmackhaft zu machen. Noch immer dominiert bei zu vielen die überkommene Vorstellung von einer Arbeitswelt mit sicherer Aussicht auf unbefristete Arbeitsverträge. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, den Mythos ‚Existenzgründung’ aufzuhellen, um etwaige Ängste abzubauen und den Menschen eine positive Einstellung zur Gründung zu vermitteln.

Weiterhin ist zu beobachten, dass v.a. technologieorientierten Start-Ups schlichtweg an wirtschaftlichen Erfahrungen fehlt und bei vielen Hochschulgründungen das Interesse der Gründer an einer Monetarisierung ihrer Idee noch zu gering ausgeprägt ist.

Und nicht zuletzt ist durch die finanzielle Belastung unserer Studenten mit Studiengebühren ihr finanzielles Polster meist aufgebraucht, was dadurch verschärft wird, dass ihnen dadurch auch der Zugang zu anderen Kapitalquellen erschwert wird. 

Im Gegenzug besitzen unsere Hochschulgründer eine bemerkenswerte technische bzw. wissenschaftliche Expertise und sind in der Lage, aufgrund ihrer konzeptionellen Stärken, tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Vorteilhaft ist sicher auch ihr Wille zur Weiterqualifizierung sowie die Möglichkeit des Zugangs zu wissenschaftlichen Einrichtungen, wie Laboren etc.

 

Welche Bedeutung haben Hochschulausgründungen für den Wirtschaftsraum Augsburg?

Unternehmensgründungen aus den ansässigen Hochschulen fördern die Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaftsregion, wie der Augsburg-Schwabens, in besonderem Maße, denn es handelt sich hier zuvorderst um Unternehmensgründungen in wissens- sowie forschungs- und entwicklungsintensiven Wirtschaftszweigen. Diese sind in der Regel von besonderer Qualität und die mit ihnen verbundenen positiven Innovations-, Wettbewerbs- und  Beschäftigungseffekte dürften nach aktuellem Kenntnisstand zumindest mittel- bis langfristig zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung im hiesigen Wirtschaftsraum führen.

 

Wie ist Ihr persönlicher Blick auf Entrepreneurship?

Entrepreneurship fördert Unternehmertum, unternehmerisches Denken und Handeln und sollte daher ein unverzichtbarer Bestandteil der Hochschulausbildung sein. Denn eine ergänzende Gründerausbildung macht die bei uns erworbene Ausbildung zukunftsfähiger, indem sie die Karriereoptionen unserer Absolventen erweitert und sie so besser auf sich ändernde Erwerbsbiografien vorbereitet.
So gesehen ist die Förderung von Entrepreneurship an Hochschulen KEIN Projekt – sie gehört vielmehr zu unseren Kernaufgaben.

Unser Anspruch sollte es sein, Gründerpersönlichkeiten an Hochschulen gezielt zu entwickeln und die unternehmerischen Fähigkeiten unserer Absolventen weiter zu vertiefen. Ich bin jedenfalls jeden Tag aufs Neue begeistert, wie viel kreatives Potenzial es an unserer Hochschule gibt.

 

Inwieweit trägt das EXIST-Programm dazu bei, Existenzgründer aus der Hochschule zu unterstützen?

Der ansehnliche monatliche Förderzuschuss in Höhe von bis zu 2.500 EUR pro Person ist für unsere angehenden Gründer nicht nur ein willkommenes Zubrot, sondern stellt für sie oftmals die einzige Chance dar, um ihre Ideen und Visionen in einem gewissen Schutzraum weiter voranzutreiben und damit Ihrem Traum von einer Existenzgründung näher zu kommen.
Hinzu kommt, dass die Gründer durch einen individuellen Coachingfahrplan zielgerichtet weiterqualifiziert werden, was ihnen und ihrer Idee zugute kommt. Außerdem werden die geförderten Stipendiaten während ihres gesamten Gründungsprozesses kostenlos durch das Gründernetzwerk an der Hochschule betreut und bei der Erstellung des Businessplans unterstützt.

 

Wie viele Hochschulausgründungen haben Sie in den letzten Jahren bei der EXIST-Antragstellung betreut und was sind Ihre Erfahrungswerte?

Wie schon angedeutet, wurden seit 2003 vier Bewerberteams der Hochschule Augsburg EXIST-Gründerstipendium zugesprochen (bei insgesamt etwa acht Anträgen), von denen etwa 13 Studierende mit ihrem Gründungsvorhaben profitierten.
An unserer Hochschule genießt das EXIST-Programm größte Wertschätzung, nicht nur aufgrund des lukrativen Mittelzuschusses, sondern auch aufgrund der flexiblen Möglichkeit einer Antragstellung ohne bindenden Jahresstichtag. Ebenfalls hervorgehoben wurden immer wieder die zügige Bewertung und Vergabeentscheidung durch den Projektträger sowie dessen fundiertes Feedback zu Stärken und Schwächen des Konzepts.

 

Welchen Rat würden Sie einem Gründungswilligen mit auf den Weg geben?

Trau dich!

 

 

Über Prof. Dr. Norbert Gerth

Prof. Dr. Norbert Gerth lehrt und forscht seit Anfang 2001 an der Fakultät für Informatik der Hochschule Augsburg. Er vertritt dort das Fachgebiet Marketing und E-Commerce. Seit 2002 ist er zudem Existenzgründungsbeauftragter der Hochschule.
Vor seinem Engagement an der Hochschule war Prof. Dr. Gerth lange Jahre Unternehmensberater. Während dieser Zeit konnte er in diversen Branchen umfangreiche Praxiserfahrungen sammeln und auch mehrere Start-Ups erfolgreich auf den Weg bringen. 

 

Über das EXIST-Gründerstipendium:

Das EXIST-Gründerstipendium unterstützt Gründerinnen und Gründer aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die ihre Gründungsidee in einen Businessplan umsetzen möchten. Dabei sollte es sich um technologisch-innovative Gründungsvorhaben mit guten wirtschaftlichen Erfolgsaussichten handeln. Das EXIST-Gründerstipendium ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und wird durch den Europäischen Sozialfonds kofinanziert...mehr