Dienstag, 19. Januar 2010 | News | Blog, Gründernews

Gründerwelle in 2010?

Die Zahl der Gründungen ist im Krisenjahr 2009 gestiegen. Nach neuesten Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn waren in Deutschland im Jahr 2009 etwa 410.000 Existenzgründungen zu verzeichnen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung um 2,7 Prozent.

Gleichzeitig ist die Zahl der Liquidationen um 3,6 Prozent auf rund 397.000 gesunken. Der Gründungssaldo ist damit also wieder positiv, nachdem er im Jahr 2008 zum ersten Mal seit den 1970er Jahren im Minus war. 

Ein Grund für den Zuwachs bei den Gründungszahlen ist, dass zu den Gründerinnen und Gründern des vergangenen Jahres vor allem diejenigen zählen, die entweder in der Finanz- und Wirtschaftskrise arbeitslos geworden sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht waren. "Ein deutlicher Beleg für diese Annahme ist", so Prof. Frank Wallau, stellvertretender Geschäftsführer des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM), "dass sowohl der Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit als auch das Einstiegsgeld, das die Träger der Grundsicherung anbieten, 2009 deutlich häufiger in Anspruch genommen wurden als im Vorjahreszeitraum: insgesamt rund 13.500 Mal." Im Gegensatz zu 2008 habe es in 2009 nämlich kaum Stellenangebote als attraktive Alternativen zur Selbständigkeit gegeben. 

Dabei hat sich zumindest in der ersten Jahreshälfte 2009 der Anteil der Kleinbetriebsgründungen (die bei Gründungen aus der Arbeitslosigkeit eher zu beobachten sind) gegenüber dem 1. Halbjahr 2008 um 0,7 Prozent auf rund 131.000 verringert. Andererseits sind mehr Betriebsgründungen zu verzeichnen, die nach aller Erfahrungen eine größere wirtschaftliche Bedeutung entfalten. Wallau: "Dabei handelt es sich um sogenannte Betriebsgründungen von Hauptniederlassungen. Die werden entweder ins Handelsregister oder in die Handwerksrolle eingetragen oder starten schon mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Von denen haben wir in 2009 deutlich mehr auf dem Konto: ganze fünf Prozent." Die meisten Existenzgründungen finden im Handel, gefolgt vom Bau- und Gastgewerbe, statt. Einen Zusammenhang mit den krisengeschüttelten aktuellen Marktbedingungen gibt es dabei, so das IfM Bonn, nicht. "Diese Branchen zeichnen sich eigentlich immer durch viele Gründungen aus. Und !
durch eine hohe Fluktuation. Deshalb haben wir hier in 2009 auch die meisten Liquidationen registriert." 

Die schlechte Nachricht in diesem Zusammenhang: Die Zahl der Liquidationen ist in 2009 zwar gesunken. Aber, so Prof. Frank Wallau: "Bei Liquidationen geht es ja um die Abwicklung der Geschäfte, also um die vollständige Auflösung und Abmeldung des Unternehmens. Das kann freiwillig oder zwangsweise geschehen. Freiwillig zu schließen: Diesen Weg aus dem Markt haben in 2009 sehr viel weniger Unternehmerinnen und Unternehmer gewählt als noch in 2008." Grund dafür sei, dass bei vielen der über vier Millionen Selbständigen gerade in Krisenzeiten die Geschäfte zwar mehr schlecht als recht liefen und ihnen das Wasser bis zum Hals stehe. Dennoch komme ein Ausstieg aus der Selbständigkeit für sie nicht in Frage. "Im Jahr 2008, als wir den niedrigsten Arbeitslosenstand seit Jahren hatten, sind viele derjenigen, die heute als Selbständige so gerade über die Runden kommen, in einen Angestelltenjob gewechselt. Deshalb war damals auch die Zahl der Liquidationen höher. Diese Jobs gab es in 2!
009 aber nicht mehr. Und aufzuhören und in die Arbeitslosigkeit zu gehen, ist für sie auch keine Option, da sie nicht freiwillig in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung versichert sind. Sie bleiben also lieber selbständig und machen wohl oder übel weiter." 

Dass vielen Unternehmern das Wasser schon höher als bis zum Hals stehe, lasse sich deutlich an der Zunahme der Insolvenzen ablesen. "Hier scheiden die Unternehmen in den allermeisten Fällen zwangsweise aus dem Markt aus", erklärt Prof. Frank Wallau. "Und zwar wegen Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens. Die Zahl der Insolvenzen ist im Jahr 2009 um rund 17 Prozent auf ca. 34.300 gestiegen. Es ist ganz offensichtlich so, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkt zu einer Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit geführt hat." 

Für das Jahr 2010 erwarten die Bonner Mittelstandsforscher - wegen der schlechten konjunkturellen Lage 2009 und der damit verbundenen steigenden Arbeitslosigkeit in 2010 - einen weiteren Anstieg der Insolvenzzahlen. Und auch der Gründungszahlen. Das deckt sich mit der Einschätzung von immerhin 93 Prozent aller IHK-Gründungsexperten, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im November 2009 befragt hat: Sie rechnen mit mehr Existenzgründungen in den nächsten zwölf Monaten. Dabei verweisen die IHK-Berater auf einen "Webfehler" des eigentlich erfreulichen Anstiegs der Gründungszahlen: "Viele Arbeitslose sehen in der Selbständigkeit einen Ausweg, um die Erwerbslosigkeit zu beenden. Das Not-Motiv überdeckt oft die wirtschaftliche Perspektive, denn die Aussichten für Existenzgründer bleiben schwierig." 

Neben der schwierigen konjunkturellen Krisenlage haben die Kammer-Mitarbeiter ein weiteres Problem ausgemacht: Viele Gründerinnen und Gründer aus der Arbeitslosigkeit starten nach ihrer Einschätzung mangels besserer Alternative ohne wasserdichtes Gründungskonzept. Traurig, aber wahr, so die IHK-Experten auch im DIHK-Gründerreport 2009. Unter der Zwischenüberschrift "Gründerwelle kommt - Pleitewelle droht" ist hier zu lesen: "Die Gefahr besteht, dass viele der Gründungen nur von kurzer Dauer sein werden: Zum einen verschärfen viele Kreditinstitute ihre Anforderungen an die Vergabe von Fremdkapital. Zum anderen begeben sich gerade arbeitslose Gründer häufig mangelhaft vorbereitet in das Abenteuer "Selbständigkeit": Fast 40 Prozent der Gründerinnen und Gründer, so die IHK-Erfahrungen, können ihre Geschäftsidee nicht einmal klar beschreiben.


WEITERE INFORMATIONEN 
Institut für Mittelstandsforschung Bonn 
» Gründungs- und Liquidationsstatistik (www)

Deutscher Industrie- und Handelskammertag
» www.dihk.de (www)

BMWi-Existenzgründungsportal 
» Beratung (www)
» Beratungsförderung vor der Gründung (www)

KfW 
» Gründercoaching Deutschland (www)

BMWi/BAFA 
» Beratungs- und Schulungsportal für kleine und mittlere Unternehmen (www)