Freitag, 21. August 2015 | News | Blog, Gründernews

Neues Denken für das Neue

Nicht selten tun sich etablierte Unternehmen schwer im Umgang mit dem Neuen, seien es neue Technologien, neue Märkte, neue Zielgruppen. In Sachen Innovationsmanagement oder mit neuen Ansätzen bei Marketing und Unternehmensführung reagieren etablierte Unternehmen eher auf Veränderung, als dass sie selbst zum Akteur und Initiator werden. Malte Prien im Gespräch:

Malte Prien (Foto: privat)

Malte Prien (Foto: privat)

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Malte Prien blickt auf über 20 Jahre Berufserfahrung als Unternehmer zurück. Diese Zeit beschreibt er gerne mit einer Erfahrung und einer Beobachtung. Seine Berufserfahrung haben vor allem zwei Start-ups geprägt. „Das erste hat mich runiert, das zweite hat mich saniert“ und er ergänzt, „heute lebe ich von einer idealistischen Rendite.“ Wenn Malte Prien das erzählt, dann grinst er und fügt hinzu, dass er froh ist, dass es nicht andersherum passiert ist. Und so beginnt das Gespräch mit einer ordentlichen Portion Idealismus, Optimismus und Gelassenheit, wenn Malte Prien beschreibt, welches Verhaltensmuster er beobachtet, wenn es um das Neue geht.

Herr Prien, worin sehen Sie die Hauptursachen für dieses Verhalten etablierter Unternehmen? 
Es gibt dieses Sprichwort: Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht. So würde ich sprichwörtlich das Verhalten etablierter Unternehmen begründen. Etablierte Unternehmen zeichnet ja aus, dass das, was diese Unternehmen gemacht haben, passend war, um sich etablieren zu können. Jetzt hat sich die Welt allerdings geändert und das Verhalten, das einst passend war, passt jetzt nicht mehr. Das führt zu dem Dilemma, dass obwohl man bisher alles richtig macht, man am Neuen scheitert. 

Was machen Start-ups da anders?
Start-ups sind wie Kinder. Die entdecken die Welt, frei von Normen, Standards und Vorgaben. Die nehmen einen Kochtopf und benutzen den als Helm. In einem Unternehmen würde der kritische Blick sofort aufschreien, das ist ja gar nicht nach DIN EN 1078 zertifiziert.

Also eine Generationenfrage?
Eigentlich würde ich sagen, das ist eher eine Frage der Geisteshaltung. Die sich natürlich von Generation zu Generation unterscheidet. Womit ist es sicherlich eine Generationenfrage ist.

Gut, dann eine andere Herangehensweise zur Unterscheidung zwischen etabliert und Start-up. Nehmen wir das Kinder-Kochtopf-Beispiel. Würden Sie behaupten: Je größer und älter das Unternehmen und je komplexer Strukturen und Regularien werden, desto unempfänglicher wird ein System für das Neue?
Nein! Denn wenn diese komplexen Strukturen und Regularien, den Umgang mit dem Neuen unterstützen, sind diese Unternehmen empfänglicher für das Neue. Wenn beispielsweise der Kritiker aus dem Kinder-Kochtopf-Beispiel seine Kritik als Frage formulieren würden: „Wie stellen wir mit diesem Helm einen Mindeststandard für Fahrradfahrer sicher?“ Dann könnte darauf aufgebaut werden, anstatt die Kreativität zu stoppen.

Nun ist es ja nicht so einfach, beispielsweise über Nacht gewachsene Strukturen zu zerschlagen und plötzlich Hierarchieebenen zu streichen. Was können etablierte Unternehmen tun, um agiler zu werden und Innovationsprozesse zu beschleunigen?
Da haben Sie völlig recht! Und hier würde ich gerne unterstreichen, dass „agil“ nicht das Allheilmittel ist. Meiner Meinung sind agile Methoden den klassischen Wasserfallprozess nicht unähnlich. Und auch Start-ups müssen, um sich zu etablieren, Strukturen und Prozesse schaffen, die mitwachsen und das Wachstum mittragen. Als ersten Schritt würde ich das Buch „The Innovator’s Dilemma“ von Clayton Christensen empfehlen. Das Buch hat mich unheimlich inspiriert. Und ich glaube, Inspiration ist der richtige Start für einen Wandel in etablierten Unternehmen anzustoßen, den dann alle mitgehen und mittragen.

Bei welchen Themen haben Start-ups noch Vorteile gegenüber etablierten Unternehmen?
Start-ups sind natürlich kleiner und damit unabhängiger. Ein Start-up kann einen Fehler machen und das ganz einfach als „learning“ verbuchen. Das fällt bei einem etablierten Unternehmen sicherlich schwerer.

Eine letzte Frage, mal nur die Start-ups selbst betrachtet. Sie kommen aus Berlin. Sehen Sie regionale Unterschiede in Bezug auf die Entwicklung von Problemlösestrategien?
Für Berlin spricht, dass das Leben sehr günstig ist. Da können Sie sich entscheiden, ein experimentelles Theaterstück zu entwickeln und aufzuführen. Wenn das floppt, können Sie sich das leisten. Das tolle in Berlin ist, dass viel ausprobiert werden kann. Und darin sehe ich den Vorteil zur Problemlösung. Denn von einem Problem sprechen wir nur dann, wenn wir nicht genügend bzw. nicht die richtige Alternative haben. Um das Problem zu lösen, sollten wir uns also die Möglichkeiten schaffen. Wenn eine Region das unterstützt, dann ist diese Region strategisch gut aufgestellt, um Probleme zu lösen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prien.

 

Zur Person:

Malte Prien ist Dozent für Entrepreneurship am Gründungszentrum der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.