Ohne Moos nix los
Eine solide Finanzierung zählt zu den wichtigsten unternehmerischen Erfolgsfaktoren. Daher sollten Unternehmer ganz besonders großen Wert auf die Finanzplanung ihres Unternehmens legen und den Kapitalbedarf für das Unternehmen oder für einzelne Projekte und Vorhaben korrekt ermitteln. Andernfalls droht schnell die Schieflage. Norbert Meinl, Geschäftsführer und Inhaber der Quantum Plus GmbH & Co. KG war jahrelang in kaufmännischen Leitungsfunktionen von Unternehmen tätig, die sich in Aufbau-, Wachstums- oder auch Restrukturierungsphasen befanden.
Seit mehr als zehn Jahren berät er Firmen u.a. bei der Finanzierung und der Optimierung kaufmännischer Funktionen. Wir haben ihn zum Thema Kapitalbedarf und Finanzplanung befragt.
Herr Meinl, es ist manchmal gar nicht so einfach, den Kapitalbedarf zu ermitteln. Wie geht man am besten dabei vor?
Zunächst gilt es zu unterscheiden. Handelt es sich um den Kapitalbedarf für ein ganz konkretes, abgrenzbares Vorhaben, ein Projekt, eine Investition? Oder sprechen wir vom Kapitalbedarf des gesamten Unternehmens, betrachtet für einen bestimmten Zeitraum?
Im ersteren Fall betrachten wir alles, was an Ressourcen für die Realisierung des Vorhabens voraussichtlich benötigt wird. Wenn wir beispielsweise in der Produktion eine Maschine austau-schen wollen, sind natürlich die Preise der Anlage selbst zu eruieren, aber es ist auch an möglicherweise vorzunehmende Veränderungen im Umfeld der Maschine zu denken. Das können Anschlüsse sein oder bauliche Maßnahmen. Deren Durchführung, ebenso wie die Planungskosten dafür zählen ebenfalls zur Investition und verursachen Kapitalbedarfe. Entwickelt ein IT-Unternehmen ein neues Software-Produkt, wird dieses Projekt maßgeblich Man-Power, d. h. Zeitressourcen der eigenen Entwickler benötigen, aber auch Fremdleistungen, die Einrichtung neuer Arbeitsplätze oder die Anschaffung spezieller Software-Tools können dazu zählen. Alle diese Ressourcen müssen irgendwie bezahlt werden. Kann oder soll dies nicht aus vorhandenen Barmitteln erfolgen, ist neues Kapital erforderlich.
… und was gilt für den Kapitalbedarf eines Unternehmens?
Der zweite Fall ist in der Regel der aufwändigere. Denn hierfür betrachten wir letztendlich die Summe aller Tätigkeiten des Unternehmens. Wir befassen uns mit der unmittelbar bevorstehenden und mittelfristigen Zukunft des Unternehmens und gehen der Fragestellung nach: Welche Phase durchläuft das Unternehmen, welche Herausforderungen stehen bevor, mit welchen Strategien und letztendlich Maßnahmen will die Unternehmensleitung diese bewältigen? Welche Umfeldbedingungen sind zu erwarten? Die Antworten hierauf ermöglichen es, eine mittelfristige Planung für das Unternehmen zu erstellen. Aus dieser wiederum lässt sich der Kapitalbedarf ermitteln. Das Ganze kann, je nach Komplexität des Unternehmens und vieler Unwägbarkeiten, in der Tat etwas Aufwand erfordern.
Welche Unternehmensdaten sind relevant für die Kapitalbedarfsrechnung?
Im Grunde genommen geht es ja darum festzustellen, wie weit die planmäßigen Einnahmen aus dem Geschäft des Unternehmens ausreichen, die planmäßigen Ausgaben, die hierfür anstehen, zu decken. Und welche Vorhaben darüber hinaus anstehen, die zusätzliche Ausgaben bedingen und inwiefern auch diese noch aus den laufenden Einnahmen beglichen werden können. Das Ergebnis dieser Rechnung zeigt, welcher zusätzliche Bedarf an Finanzmitteln besteht, um plangemäß vorgehen zu können.
Die Rechendaten, die wir dafür brauchen liefern uns die Planwerte der G-u-V-Rechnung und der Bilanz des Unternehmens. Hier sind im Wesentlichen alle relevanten Positionen enthalten. Weitere Informationen liefern der Investitions- und ggf. ein Projektplan. Unter anderem ergibt sich hieraus, wann Kapital in welcher Höhe zur Durchführung bestimmter Vorhaben zur Verfü-gung stehen muss.
Wie detailliert muss die Planung erstellt werden? Gibt es hierzu feste Regeln?
Der Detaillierungsgrad ist, was die Bildung von Planpositionen betrifft aus meiner Sicht etwas ganz Unternehmensspezifisches und sollte nicht verallgemeinert werden. Die Kernfrage lautet doch, welche Genauigkeit benötige ich, um am Ende insgesamt aussagefähige Werte zu ermöglichen. Da sollte man z. B. sehen, welche Zahlendimensionen bewegt der Betrieb. Es macht – etwas überspitzt gesagt - keinen Sinn die letzte Briefmarke zu planen, wenn das Unternehmen 2 Mio. Euro Umsatz macht. Wichtig ist es, die wesentlichen Positionen zu bestimmen und diese zu bewerten, weniger Bedeutsames kann pauschaliert werden. Diese Konstellation unterscheidet sich natürlich von Fall zu Fall, je nachdem wie groß das Unternehmen ist und welche Art von Geschäft es betreibt. Aufpassen sollte man jedoch, dass man Positionen, die mit größerer Unsicherheit belastet sind separat darstellt und nicht vermischt. Nur so lässt sich sicherstellen, dass eintretende Veränderungen, die diese Position betreffen auch schnell erkannt und die Pla-nung darauf hin angepasst werden kann.
Welcher Zeithorizont sollte gewählt werden, damit eine taugliche Ermittlung des Kapitalbedarfs erfolgen kann?
Unterstellen wir hierbei einmal, ein Unternehmen wird neu gegründet, entwickelt eines oder mehrere Produkte, um diese danach am Markt anzubieten und das Geschäftsmodell des Unternehmens umzusetzen. In der Start- und Entwicklungsphase wird das Unternehmen in der Regel nur Ausgaben haben, aber noch Einnahmen erzielen. Investitionen, Kosten des Unterneh-mensaufbaus, der Entwicklung und den Betrieb des Unternehmens. Auch die Phase der Markteinführung wird zunächst zusätzliche Kosten verursachen und selbst wenn die Verkäufe anlaufen, werden die Umsatzerlöse die Kosten noch nicht decken können. In diesem Fall muss der planende Blick zeitlich also zumindest so weit in die Zukunft gehen, bis das Unternehmen durch seine kontinuierlichen Geschäfte kein Kapital mehr verbraucht, sondern dauerhaft Geld verdient. Generell kann man als Faustregel sagen, fünf Jahre mindestens sollte die Planung schon in die Zukunft schauen, um die Kapitalrechnung davon ableiten zu können. Denn spätestens bei der Frage, welche Art von Kapital, welche Finanzierungsart bzw. welcher Mix davon kommt sinnvollerweise in Betracht, muss man eine Vorstellung über eine derartige Zeitspanne hinweg haben. Das gilt aber eben nicht nur für Neugründungen. Die Unternehmensfinanzierung zu sichern heißt langfristiges Kapital einzusetzen. Um dieses richtig zu bemessen muss auch der Blick auf einen mittel- bis langfristigen Zeitraum gerichtet werden. Das ist für ein bestehendes Unternehmen gleichermaßen wichtig wie für ein neu gegründetes.
Auch hierbei stellt sich wieder die Frage, wie fein muss die Zeitachse unterteilt werden?
Das ist eine ganz wichtige Frage, denn hier lauern Stolpersteine. Stellen Sie sich vor, das neu gegründete Unternehmen benötigt für seine Aktivitäten im ersten Jahr 300 Tsd. Euro und plant im zweiten Jahr den Markteintritt. Der Verkauf beginnt im Juli und steigt erfreulicherweise auch schnell an, so dass im zweiten Halbjahr bereits ein Überschuss erzielt werden kann. Angenommen im ersten Halbjahr betragen die Vorleistungen nochmals 250 Tsd. Euro und im zweiten Halbjahr wird dann ein Plus von 150 Tsd. Euro erzielt. Würde man nur Planwerte jeweils für das Gesamtjahr ansetzen, käme man in diesem Beispiel auf einen Kapitalbedarf von 300 + 100 = 400 Tsd. Euro Kapitalgesamtbedarf. Tatsächlich aber bekäme das Unternehmen mit dieser Kapitaldecke ein Problem! Denn bis zur Jahresmitte von Jahr 2 summiert sich der Bedarf auf 300 + 250 = 550 Tsd. Euro. Erst dann verringert sich die Summe wieder. Wir riskieren also durch die zu grobe Planungsweise eine Finanzierungslücke von 150 Tsd. Euro. Zudem fallen bei Start-ups in der Anfangszeit häufig aperiodische Zahlungsverpflichtungen an. Investitionen, Aufbau des Warenbestandes, Vorauszahlungen etc. Auch hier lauern sogenannte Bedarfsspitzen, die unbedingt im Vorfeld erkannt und abgesichert werden müssen.
Wie detailliert sollten gerade Gründer ihre Planung aufstellen, um Fehler zu vermeiden?
Fehler mit ernsthaften Konsequenzen lassen sich vermeiden, wenn man die Zeitachse in der Planung feiner unterteilt. So sollte zumindest das erste, ggf. auch das zweite Planjahr eine monatliche Unterteilung aufweisen. Bis zum dritten, eventuell bis zum fünften Jahr plant man quartalsweise, dann kann auf Jahresebene gewechselt werden. Auch hier ist es ratsam, dies am Einzelfall abzuwägen und zu entscheiden.
Vielen Dank, Herr Meinl.