Donnerstag, 27. März 2014 | News | Blog, Gründernews, Expertennews

„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“

In den Medien finden Rechtsverstöße von Wirtschaftsunternehmen immer mehr Aufmerksamkeit. Dabei spielt es keine Rolle, welche Bereiche davon betroffen sind. Es ist egal, ob die Anschuldigungen berechtigt sind oder nicht, der Schaden fürs Image ist groß bisweilen existenzbedrohend. Daher wird die Einhaltung von Vorschriften egal welcher Art immer wichtiger. Seit Jahren schon ist das Thema „Compliance“ in börsennotierten Firmen fest etabliert. Zur Risikovorsorge sollte „Compliance“ aber auch im Mittelstand Beachtung finden.

Rechtsanwalt Nicol Andreas Lödler (Foto: privat)

Rechtsanwalt Nicol Andreas Lödler (Foto: privat)

Eine unzureichende Auseinandersetzung mit diesem Thema kann auch hier als Pflichtverletzung des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers angesehen werden. Unter Umständen kann dies auch Regressansprüche nach sich ziehen. Rechtsanwalt Nicol Andreas Lödler beleuchtet für uns einige wichtige Aspekte:

Herr Lödler, der Begriff der „Compliance“ ist derzeit in aller Munde. Was genau ist denn hierunter zu verstehen?

 „Compliance“ heißt wörtlich übersetzt soviel wie „Zustimmung“, „Befolgung“, „Einhaltung“. Im Rahmen des amerikanischen Rechts, das die deutsche Sprache um diesen Begriff bereichert hat, ist die Befolgung von Rechtsvorschriften aller Art gemeint. Im Deutschen spiegelt das Wort „Gesetzestreue“ die Bedeutung des Wortes „Compliance“ am besten wieder. Im heutigen Sprachgebrauch ist die Prävention gegen Gesetzesverstöße aller Art gemeint.

An sich sollte es ja eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich Unternehmen an Gesetzesvorschriften halten, oder?

Eigentlich schon. Es ist auch nicht so, dass man es bei Complianceverstößen mit hoher krimineller Energie zu tun hat. Compliance setzt auch nicht erst bei der Vermeidung von strafrechtlichen Verstößen an, Compliance soll auch schon zivilrechtliche Haftungsansprüche vermeiden. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Interview des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer, in dem er die Kreditwürdigkeit des Medienunternehmers Leo Kirch in Zweifel gezogen hatte. Diese kurze Äußerung kostete die Deutsche Bank jüngst 900 Mio. Euro. Eine Compliance-Richtlinie für Fernsehinterviews hätte dies vielleicht verhindert.

Es ist aber doch kaum möglich für alle Eventualitäten, wie hier für eine vielleicht unbedachte Spontanäußerung, vorzusorgen.

Genau das ist das Problem: Das heutige Wirtschaftsleben ist so komplex, dass man unter Umständen binnen Sekunden in die rechtliche Falle tappen kann. Auch die besten Compliance-Richtlinien werden das nicht immer verhindern können.

Wo lauern denn die Gefahren, insbesondere auch für kleine bis mittelständische Unternehmen?

Zu nennen wären hier das Arbeitsstrafrecht (Stichworte wären beispielsweise Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit), Produkthaftung (zu beachten sind hier beispielweise Produktbeobachtungs- und Rückrufpflichten), in der Krise das Insolvenzrecht (Insolvenzverschleppung, Bankrott), Korruptionssachverhalte (Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr) usw. Daneben gilt es je nach Branche Spezialvorschriften zu beachten; in der IT-Branche wäre beispielsweise das Urheberrecht zu nennen, das nicht nur zivilrechtliche Haftungsansprüche sondern auch strafrechtliche Sanktionen kennt. Eine abschließende Aufzählung ist aufgrund der Komplexität der Materie nicht möglich. Trotzdem gilt leider die Weisheit „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“.

Und Compliance-Richtlinien können helfen?

In großen Unternehmen auf jeden Fall. Hier bekommt die Unternehmensleitung oft schon gar nicht mit, was auf den unteren Ebenen schief läuft. Die Compliance dient dann auch dazu, das Problembewusstsein der Mitarbeiter auf niedrigeren Hierarchieebenen zu schärfen. Ein wichtiges Beispiel ist hier die Annahme von Einladungen oder von Geschenken, die zu einer Bestrafung wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr führen kann.

Auch in kleineren bis mittleren Unternehmen?

Insbesondere für Gründer bis hin zum Mittelstand halte ich es für wenig sinnvoll, für teures Geld komplexe Compliance-Richtlinien ausarbeiten zu lassen. Für manche Probleme gibt es Speziallösungen. Zu nennen wäre beispielsweise das häufig zu findende Thema der Scheinselbstständigkeit. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt auf ihrer Homepage (www. deutsche-rentenversicherung-bund.de) ein auszufüllendes Formular zur Verfügung, mit dem im Rahmen eines sog. Statusfeststellungsverfahrens rechtsverbindlich geklärt werden kann, ob ein Mitarbeiter Arbeitnehmer oder selbständig ist. Dies hilft freilich nur vor Aufnahme der entsprechenden Tätigkeit. Auch hier zeigt sich wieder, wie wichtig Vorsorge bzw. anders gewendet „Compliance“ ist.

Und auf anderen Rechtsgebieten, in denen es keine solchen Instrumente gibt?

Ein Beispiel wäre das Urheberrecht, was immer schon dann betroffen sein kann, wenn man etwas von einem anderen übernimmt, seien es Fotos, Bilder, Texte, Software oder Programme. In Zeiten der schnellen und umfassenden Verfügbarkeit im Internet, ist eine Urheberrechtsverletzung schnell gegeben. Wenn Werke Urheberrechtsschutz genießen, dürfen sie nämlich nur mit Zustimmung des Urhebers übernommen werden. Hier wie auch auf anderen Rechtsgebieten ist ein gewisses Fingerspitzen- und Bauchgefühl gefragt. Und wenn diese die Alarmglocken schrillen lassen, wobei zu einer eher übertriebenen Vorsicht als Nachlässigkeit zu raten ist, sollte man entweder die Finger davon lassen oder anwaltlichen Rat einholen. Denn nur dieser schützt vor drohender strafrechtlicher Verfolgung: Wenn der Laie lediglich ein ungutes Gefühl hat bzw. auch nur haben müsste, verlangt die Rechtsprechung, dass er professionellen Rat einholt. Andernfalls spricht der Jurist von einem sog. „bedingten Vorsatz“, bei der die strafrechtliche Schwelle überschritten wird. Eine Beratung im Vorfeld ist auch wesentlich günstiger als eine anwaltliche Verteidigung, wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist. Oft ist es im Vorfeld mit einer Erstberatung getan. Auch das ist eine Form von „Compliance“.

Vielen Dank für das Gespräch.


Zur Person:

Rechtsanwalt Nicol Andreas Lödler studierte von 1995 bis 2000 Rechtswissenschaften in München, gefolgt vom Referendariat bis 2002 mit Stationen in Salzburg und Sydney. Von 2003 bis 2005 war er Rechtsanwalt in der Arbeitsrechtsabteilung einer internation vertretenen Wirtschaftskanzlei in München und ist seit 2005 im Anwaltshaus in Augsburg tätig. Er ist seit 2011 Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit 2012 auch Fachanwalt für Strafrecht. Er unterrichtet das Fach Arbeitsrecht an der Technikerschule Augsburg und hält Vorträge, beispielsweise bei der IHK Schwaben zum Thema Scheinselbständigkeit.