Wissenswertes zum Thema Mindestlohn
Nach langer politischer Diskussion trat am 01.01.2015 das Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft, das in Deutschland erstmals einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von derzeit € 8,50 brutto/Stunde einführt. Schätzungen zu Folge sind rund 4 Millionen Beschäftigte von der Regelung betroffen. Rechtsanwalt Nicol Andreas Lödler, unser Experte auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, erklärt wichtige Praxisfragen zum neuen Gesetz.
Herr Lödler, jeder Arbeitnehmer in Deutschland bekommt seit dem 01.01.2015 den Mindestlohn in Höhe von € 8,50 brutto/Stunde. Klingt erst einmal gar nicht so kompliziert, dennoch ist seitens der Unternehmen deutliche Kritik zu hören, nicht nur wegen der erhöhten Lohnkosten. Wo liegen denn die Probleme in der Praxis?
Neben manchen ungelösten Problemen bestimmter Branchen – zu nennen wären v. a. Gaststätten, Hotels und Taxifahrer – stehen vor allem die neu eingeführten Dokumentationspflichten in der Kritik, die in den Unternehmen zu hohem bürokratischen Aufwand führen: Aufzuzeichnen sind nämlich die Arbeitszeiten aller geringfügig Beschäftigten (sog. 450-Euro-Jobs). Ausgenommen sind lediglich Beschäftigte in Privathaushalten. Darüber hinaus sind in bestimmten Branchen sämtliche Arbeitszeiten aufzuzeichnen, also auch die von Vollzeitbeschäftigten. Hierzu gehören beispielsweise Baufirmen, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, die Personenbeförderung, Speditionen, Transportunternehmen, Gebäudereinigungsfirmen und Messebauer. Die IT-Branche ist von dieser umfassenden Aufzeichnungspflicht erfreulicherweise nicht betroffen; aufzuzeichnen sind also „nur“ die Arbeitszeiten der geringfügig Beschäftigten.
Wie müssen die Aufzeichnungen gestaltet sein?
Aufzuzeichnen sind der Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit. Pausen zählen nicht zur Arbeitszeit und sind deshalb von der Dauer der täglichen Arbeitszeit abzuziehen. Deren konkrete Lage muss aber nicht aufgezeichnet werden. Für die Aufzeichnungspflicht besteht eine Frist von sieben Tagen. Die Aufzeichnungen sind mindestens für die Dauer von zwei Jahren aufzubewahren. Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnungspflicht auf den Arbeitnehmer delegieren; er muss die Aufzeichnung dann aber regelmäßig kontrollieren. Die Arbeitszeitdokumentation kann auch elektronisch in einer Datei erfolgen. Eine Unterschrift ist nicht notwendig.
Bezüglich der Dokumentationspflichten ist ja auch eine „Nachbesserung“ des Gesetzes im Gespräch. Wann ist denn mit einer solchen zu rechnen?
Es gibt bereits zwei Verordnungen, die jedoch nur bedingt für Abhilfe gesorgt haben. Die IT-Branche ist von diesen Verordnungen aber ohnehin kaum betroffen. Ob und wann weitere Nachbesserungen folgen, steht noch in den Sternen.
In der IT-Branche werden auch oft Praktikanten beschäftigt. Was ist bei diesen zu beachten?
Zunächst muss es sich bei ihnen um "echte" Praktikanten handeln, d. h. es muss das Lernen im Vordergrund stehen und nicht das Arbeiten. Sind hier im Vergleich zu Arbeitnehmern keine Unterschiede ersichtlich, so haben sie in der Regel einen Anspruch auf Zahlung des Tariflohns vergleichbarer Arbeitnehmer, der ggf. auch höher liegen kann als der Mindestlohn.
Bei „echten“ Praktika gilt dagegen folgendes: Vom Mindestlohn ausgenommen sind im Wesentlichen ausbildungs-, schul- oder hochschulrechtlich vorgeschriebene Praktika (Pflichtpraktika), Praktika, die zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums dienen (Orientierungspraktika), und (freiwillige) studien-/berufsausbildungsbegleitende Praktika. Die letzten beiden Praktikumsarten dürfen eine Dauer von drei Monaten nicht überschreiten; andernfalls gilt der Mindestlohn ab dem ersten Tag.
Den „echten“ Praktikanten ist unter Umständen auch eine Ausbildungsbeihilfe zu bezahlen, die mindestens 80 % eines Azubilohns erreichen muss. Hiervon ausgenommen sind wiederum viele Pflichtpraktika, die dann gar nicht bezahlt werden müssen. Vom Mindestlohn erfasst werden dagegen v. a. solche Praktika, die nach einem abgeschlossenen Studium oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung absolviert werden.
Was sind die wesentlichen Punkte, auf die Arbeitgeber bei der Ausgestaltung von neuen Arbeitsverträgen achten sollten?
Zunächst ist natürlich darauf zu achten, dass der Mindestlohn vereinbart wird. Bei einer 40-Stunden-Woche entspricht dies einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von € 1.473,33. Wird der Mindestlohn nicht bezahlt, drohen nicht nur Ansprüche des Arbeitnehmers sondern auch ein Bußgeld bis zu 500.000,- €. Für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns ist der Zoll zuständig. Nachdem nach momentanen Stand Lohnzulagen und -zuschläge nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen, sollten solche nach Möglichkeit nicht vereinbart werden. Besser ist es, einen entsprechend höheren Grundlohn zu bezahlen. Eine Anrechnung zumindest des Weihnachtsgeldes kann dadurch erreicht werden, dass dieses nicht jährlich sondern anteilig monatlich ausbezahlt wird. Will man Altverträge entsprechend umstellen, ist jedoch das Einverständnis des Arbeitnehmers notwendig. Eine einseitige Umstellung ist nicht möglich.
Vielen Dank für das Gespräch!
Rechtsanwalt Nicol Andreas Lödler wurde am 25.09.1975 in München geboren und studierte Rechtswissenschaften an der Universität München. Nach dem zweiten Staatsexamen 2002 und einer mehrjährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt in der Arbeitsrechtsabteilung einer international vertretenen Wirtschaftskanzlei ist er seit 2005 im Anwaltshaus tätig. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Strafrecht. Er hält regelmäßig Vorträge, beispielsweise für die IHK Schwaben.